Mein Telefon ist Dein I.M. – Erlebnisbericht

Bisher nahm ich an, ich sei sicher im Netz unterwegs und meine Daten sind ebenfalls korrekt gelagert. Wenn man nur das „Nötigste“ angibt, kann doch normalerweise nicht viel schiefgehen oder?

Ich hatte es bewusst vermieden, Accounts von Netzwerken zu verknüpfen, da einige privat, andere aber eher beruflich genutzt werden. Nun hatte ich nach dem Ausfall meines Mobiltelefons mit dem Betriebssystem Android die Möglichkeit vor dem Tausch des Gerätes die Kontakte mit eben verhängnisvollen Klicks zu sichern, um dann das neue Gerät damit zu versorgen.

Es geht noch immer um das Telefon, wohlgemerkt. Dieses Telefon wurde nach der Neuinstallation jedoch schlauer, als ich mir dies wünschte. Ich begann daher aufgeregt merkwürdige Effekte zurückzuverfolgen.

Was war geschehen?
Beim Blick auf die Kontakte in meinem Handy hatten plötzlich Geschäftspartner und Freunde Bilder, denen ich selbst keine zugeordnet hatte. Dieser Umstand machte mich skeptisch und ich begann nachzuvollziehen, an welcher Stelle ich selbst hereingefallen war.

Android – mir war klar, dass es sich um ein Produkt des Google Imperiums handelt – und ich sah keine Probleme, da die Smartphone-Alternative Apple ebensolche „bequemen“ Dienste anbietet. Mein bisheriger Schutz war ein Googlekonto mit willkürlichem Namen zur Nutzung der Smartphone-Funktionen. Ein weiteres Konto für Flickr und Facebook. Firmenmail nutze ich für weitere Dienste wie XING oder Presseplattformen etc.

So hielt ich meinen Google Kalender sowohl auf dem iPad, wie auf dem Android gewollt separat. Man kennt die Frage bei der Einrichtung von Konten Name, Ort, Telefon usw. dann schnell AGB anerkannt und fertig ist das Konto. Da die Angabe der Telefonnummer freiwillig ist, verzichtet man natürlich. Da auch der Realname John Doe von den Systemen akzeptiert wird, also recht sorge loses Kontoerstellen. Ergo fühlte ich mich recht unverfolgt – bis jetzt.

Da ich auf dem Handy den Google Kalender und Facebook sowie Twitter nutze, erlaubte sich das neue Telefon die Kontakte plötzlich abzugleichen und hat die Facebook Bilder von fb *Freunden nun, so diese mit Realnamen auftauchten, mit den entsprechenden Bildern versehen.

Nicht so schlimm?
Der Moment sich zu fürchten war da. Die Trennung der Accounts ist ausgehebelt und jetzt mit der Ortung bei Tweets oder Facebook Meldungen waren also auch meine Fotos in den Telefonen anderer Nutzer verfügbar. Aber es ging noch weiter. Der Blick in die Mediengalerie des Telefons hatte sich meiner Picasa Alben bemächtigt, die ebenfalls mit einem der besagten Googleaccounts angelegt wurden. Diese tauchen jetzt in meinem Telefon neben den Schnappschüssen von Werbeanlagen, Promis oder Facebook Momenten auf, die ich auf dem Handy zu lagern pflegte.

Diese Aktion des Abgleichs musste ich wie gesagt nicht gesondert autorisieren. Das Gerät ist offenbar der Meinung ein Nutzer, eine SIM-Karte, ein Name, mehrere Accounts – User identified = Mission accoplished. Schlimm deswegen, weil die „anonymen“ Konten nun auch eben meine Rufnummer erhalten haben. Von der Gesichtserkennung, die bei dem Markieren eines Fotos mit Namen bekanntermassen angestoßen wird, einmal ganz abgesehen. Dies gilt für Flickr, Picasa Google Images und eben ähnliche Dienste, die das Markieren oder bloße Benennen von Fotos zulassen.
Wer es denn nicht glauben mag, der sollte einmal eine intensive Bildersuche machen und wird erstaunliche Effekte entdecken.

Dieses Erlebnis veranlasst mich also eben diese Verbindungen – die ich nicht wirklich wünsche – endgültig wieder aufzulösen, um wenigstens etwas Kontrolle zurückzuerlangen.

Was ich jetzt noch weniger verstehe, sind Kandidaten, die Funktionen wie XING, Paypal, oder weitere Dienste mit anderen bewusst über eben eine ID verknüpfen. Damit wird man damit irgendwann ohne es zu merken in der Tat komplett gläsern.

Mein John Doe auf Googlemail hat jedenfalls jetzt meine Telefonnummer ein weiterer meine Termine und in einem Endgerät sind nun beide Accounts verifiziert und haben meine echten Adressdaten, meine Rufnummer, meine Location und Bilder von oder mit mir und natürlich auch die Verbindungen oder Beziehungen zu Dritten.

Ordne ich jemanden im Telefon „Familie“ oder „Privat“ zu, so kann die Synchronisation eben diese Beziehung auf Umwegen logischerweise ebenfalls offenlegen. Daher muss ich also die Konten auflösen, die Synchronisation zukünftig unterlassen und den Klarnamen eben nicht unbedingt verwenden.
Also werden im Telefon Vornamen oder eben Spitznamen Verwendung finden.

Jetzt aber die Frage des Tages: Gehen meine Kontakte genauso vor? Ich denke eben nicht. Der Raubzug hat lange begonnen. Die Kontrolle des Systems und der eigenen Daten ist in der Hand der Arglosen also verloren gegangen. Nach jahrelanger „Userfreiheit“ beginnen die Unternehmen die Nutzerangaben und deren Beziehungen gezielt zuzuordnen.

Zugegeben, ich war ein wenig ehrfürchtig vor dieser Perfektion und den Möglichkeiten, die sich all jenen erschließen, denen ein Rückgriff auf diese „Beziehungen“ möglich wird. Die Tricks bei CSI wirken dagegen amateurhaft.

Würde ich bei Mobile.de irgendwann einmal einen PKW veräußern, so könnte meine Mobilnummer dafür sorgen, dass mir Autohäuser Angebote machen, oder aber Einbrecher sich einfach den Erlös bar abholen. Ich kann derzeit endlos Möglichkeiten konstruieren. In Verbindung mit einer Vorratsdatenspeicherung toppen wir das MFS um Längen mit wenig Personalaufwand.

Schöne neue Welt! Erich Mielke wäre begeistert. Bundestrojaner ist doch irgendwie retro, heute ist jeder sein eigener IM und ich ärgere mich schwarz, die Zusammenhänge nicht vorab bedacht zu haben.